Liebe Bernsteinfreunde,
jeder fängt klein an, auch mit dem Sammeln und auch mit den Kenntnissen über Einschlüsse in Bernstein. Ich möchte den Anfängern hiermit eine Hilfe zum Einstieg geben, Insekten bestimmen zu können.
Nicht jeder weiß z. B., wie man eine Fliege von einer Mücke unterscheidet, geschweige denn, was Diptera bedeutet.
Und so wollen wir beginnen. Nach und nach wird hier immer Neues zu lesen sein und irgendwann seid ihr so weit, dass ihr selbständig weiterarbeiten könnt.
Dann lohnte sich auch, mein dickes Buch über Einschlüsse zu kaufen, siehe unter Literatur. Ich verschicke portofrei und signiere gerne.
Viel Spaß bei der Insektenkunde wünscht euch
Carsten
Was bedeutet Diptera?
Zu dieser Gruppe gehören die „Zweiflügler“ (di = zwei, ptera = Flügel). Normalerweise sind bei geflügelten Insekten 2 Flügelpaare angelegt, also „Vierflügler“. Die Zweiflügler haben aber das zweite Flügelpaar reduziert und umgebildet zu sogenannten Schwingkölbchen (Halteren). Mit Hilfe der Schwingkölbchen bestimmen die Zweiflügler ihre Orientierung im Raum. An der Basis liegen viele Sinnesorgane (wer es genau wissen möchte: Die Halteren werden antiparallel zum Flügelschlag mit hoher Frequenz auf- und abgeschlagen und messen die Geschwindigkeit und Beschleunigung der Drehung nach dem Prinzip eines Vibrationskreisels).
Ergänzung: Noch eine weitere Gruppe hat ein Flügelpaar zurückgebildet – die Fächerflügler (Strepsiptera), allerdings ist es das erste Flügelpaar. Fächerflügler sind sehr selten zu finden.
Wie unterscheiden sich Mücken von Fliegen?
Mit fast keinen Ausnahmen haben alle Mücken Fühler (Antennen), die bis auf das Grundglied gleichmäßig gegliedert und fadenförmig sind.
Fliegen dagegen haben ungleichmäßig geformte Glieder, auf einem Grundglied sitzen drei Abschnitte:
- Das erste Basalglied, also das erste Segment (Scapus).
- Darauf folgt das Wendeglied (Pedicellus) = zweites Glied, das sehr unterschiedlich geformt sein kann.
- Daran sitzt die Geißel (Flagellum), die meist dünn und mehrgliedrig ist.
Die häufigsten Mücken im Baltischen Bernstein
1. Zuckmücken (Chironomidae)
2. Trauermücken (Sciaridae)
3. Pilzmücken (Mycetophilidae)
4. Gnitzen (Ceratopogonidae)
5. Gallmücken (Cecidomyiidae)
6. Schmetterlingsmücken (Psychodidae)
7. Stelzmücken (Limoniidae)
Mit Abstand am häufigsten sind es die Zuckmücken. Ihre Larven leben im Wasser und bewegen sich dort zuckend fort. Es muss also sehr feucht mit vielen kleinen Gewässern im Bernsteinwald gewesen sein.
Merkmale: meist sehr klein, großer Buckel, zartes Flügelgeäder
Männchen haben „Puschelfühler“ und einen langen dünnen Hinterleib, Weibchen haben kürzere, wenig behaarte Fühler und einen dickeren Hinterleib.
Trauermücken (Sciaridae)
Trauermücken sind kleine, schwarze Mücken, die ihre Eier in feuchten Humusboden legen (auch im Hause, wenn man die Pflanzen immer in feuchter Erde hält).
Das eindeutigste Merkmal ist die typische „Gabel“ im Flügelgeäder.
Zweites typisches Merkmal, manchmal schwer zu erkennen: Die Komplexaugen sind über den gleichmäßig segmentierten Fühlern durch eine Brücke aus vielen Einzelaugen verbunden – „Überaugenbrücke“..
Hier im Bild sehen wir ein Männchen und Weibchen beim Geschlechtsakt.
Pilzmücken (Mycetophilidae)
Die Larven der meisten Arten leben von den Fruchtkörpern der Pilze und können auch giftige Pilze fressen. Deshalb sind sie als „Schrecken der Pilzsammler“ bekannt – und haben auch vor 40 Millionen Jahren schon im Bernsteinwald gelebt.
Pilzmücken ähneln etwas den Trauermücken, sind aber deutlich größer. Im Flügelgeäder sehen wir keine Gabel. Es gibt auch keine Überaugenbrücke. An den Beinen befinden sich starke Dornen.
Gnitzen (Ceratopogonidae)
Auf den ersten Blick ähneln sie den Zuckmücken.
Unterschiede:
Sie haben gut entwickelte Mundwerkzeuge mit kurzem Stechrüssel.
Die Adern im Flügelvorderrand (Costa) sind meist stärker entwickelt.
Die Antennenglieder sind rundlich geformt, mit meist eng anliegenden Härchen.
Die Fußglieder (Tarsen) tragen Krallen.
Gallmücken (Cecidomyiidae)
Typisch für Gallmücken ist das zurückgebildete Flügelgeäder mit nur wenigen Längsadern und keinen Queradern. Die Fühlerglieder sind perlschnurartig aufgereiht.
Häufig fehlen die Fußglieder. Durch diese Häufung typischer Merkmale sind diese zarten Mücken unverwechselbar.
Schmetterlingsmücken (Psychodidae)
Kleine Mücken, die auf dem Körper und den Flügeln meist dicht schuppig behaart sind und deshalb mottenartig wirken. Das Flügelgeäder ist unverwechselbar mit vielen gleichförmigen Längsadern und wenigen oder keinen Queradern.
Stelzmücken (Limoniidae)
Große Mücken mit schmalen Flügeln und sehr langen Beinen. Die Beine brechen häufig ab und können dann im Bernstein daneben liegen.
Schnaken (Tipulidae) sehen sehr ähnlich aus, unterscheiden sich jedoch eindeutig im Flügelgeäder:
Bei den Stelzmücken mündet die Subcosta in die darunter liegende, d. h. zum Flügelinneren zeigenden Ader ; bei den Schnaken mündet die Subcosta nach außen an den Flügelrand.
Hier abgebildet ist also eine Schnake!
Fliegen (Brachycera)
Nach den Mücken (Nematocera) stelle ich nun die häufigsten Fliegenfamilien im Baltischen Bernstein vor.
1. Langbeinfliegen
2. Rennfliegen (Phoridae)
3. Tanzfliegen (Empididae)
4. Schnepfenfliegen
Alle anderen Fliegenfamilien machen nur 0,1% der Einschlüsse aus.
Rennfliegen und Tanzfliegen sind fast gleich häufig.
Langbeinfliegen (Dolichopodidae)
Auch wenn die Langbeinfliegen am häufigsten bei den Fliegen-Einschlüssen zu finden sind, es gibt auch in dieser Familie ausgesprochen seltene Arten. Es sind bisher über 60 Arten beschrieben worden, darunter Exemplare, die bisher nur 1x nachgewiesen wurden.
Namensgebend sind die auffällig langen Beine, die häufig eine starke Beborstung zeigen.
Bestes Erkennungsmerkmal ist das typische Flügelgeäder: Es ist nur eine Querader vorhanden.
Rennfliegen = Buckelfliegen (Phoridae)
Die kräftigen Beine der Rennfliegen deuten darauf hin, dass sie gerne umherrennen und ungern fliegen. Die Flügel sind kurz und gedrungen und nicht für den Langstreckenflug gedacht.
Das Flügelgeäder ist zurückgebildet und besteht aus drei verdickten Vorderrandadern, wenig Längsadern und keine Queradern – einmalig bei den Fliegen.
Der Kopf hat kurze starke Borsten und das Fühlerglied, an dem die Antenne sitzt, ist dick und rundlich.