Das Bernsteinzimmer

St. Petersburg - unbedingt eine Reise wert
- ein Reisebericht aus dem Frühjahr 2003



Diese Stadt der Gegensätze hatten wir uns ganz anders vorgestellt: ein idyllisches, wunderschönes altes Städtchen, ähnlich der Altstadt von Lübeck.
Wir trafen die nördlichste Millionenstadt der Welt, die zweitgrößte Russlands, 5 ½ Millionen Einwohner, Verkehrschaos, Abgase, Baustelle, ...
Ein Brot kostete 8 Rubel (keine 30 Cent). Ein paar Schuhe in der Innenstadt 6000 Rubel (200 Dollar). Verdienst eines staatlichen Lehrers je nach Alter und Erfahrung zwischen 100 und 140 Dollar im Monat. Verdienst eines privaten Nachhilfelehrers (wichtig für Aufnahmeprüfungen der Universitäten) zwischen 5 und 10 Dollar die Stunde.
Dieser Gegensatz spiegelt sich auch in der Bevölkerung wieder: viele bettelarme Menschen, aber auch viele Steinreiche muss es geben: neuer Mercedes, junge Frau im Pelz - das trifft man auf dem Newskij Prospekt sehr häufig.
Am 17. Mai 1703 wurde St. Petersburg gegründet, zur 300-Jahr-Feier sollte die Stadt repräsentativ im Glanz erstrahlen. Ob dann die jetzt noch eingerüsteten Prunkfassaden "rekonstruiert" (Originalton Reiseleiterin Eugenia) sind? Aber einen Riesenvorteil hat die Vorsaison: relativ wenig Touristen, selbst vor der Eremitage keine Wartezeiten, kein Geschiebe in den Zarensälen (im Sommer soll es die Hölle sein, bei 30000 Besuchern allein in der Eremitage täglich - bis zu 5 Stunden Wartezeit).
Alles ist riesig in St. Petersburg: die Kirchen, die Schlösser, die Straßen. Abgesehen von den Schlaglöchern, Staub-Schnee-Gemisch, bröckelnden Fassaden gibt es eine Fülle von Kleinoden bzw. "Großoden", die manch einen zu der Aussage verleitet: St. Petersburg ist die schönste Stadt der Welt. Ja, wenn alles restauriert, rekonstruiert, renoviert wäre, stimmte ich voll zu. Nicht einmal in Rom, Florenz und Paris habe ich so viel Pracht und Reichtum gesehen. 2½ Millionen Schätze (z.B. 26 Rembrandts) birgt allein der Winterpalast, der prachtvoll an der Newa liegt. Noch eine Steigerung gibt's nicht, dachten wir, doch weit gefehlt: der Sommerpalast (Katharinenpalast in Zarskoje Selo, 30 km außerhalb von der Großstadt) toppt alles. 300m breit und an Prunk und Pracht nicht zu überbieten, sowohl von außen als auch von innen. Zum Glück auch hier keine Touristenschwemme, wir genossen lange jeden Raum, ein Saal schöner und reicher geschmückt als der andere, mit unglaublich viel Originalen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Und auf einem Mal - Herzklopfen, Kribbeln auf der Haut, feuchte Augen (tatsächlich!) - standen wir im Bernsteinzimmer! Auf Bildern, im Fernsehen schon oft gesehen, wunderschön - aber es mit eigenen Augen betrachten und die Schönheit aufsaugen (fast Kitsch), den Bernstein mit eigenen Händen streicheln, eigene Fotos schießen dürfen, das ist ein weiterer Höhepunkt in meinem Bernsteinleben; vergleichbar vielleicht mit dem eigenhändigen Kratzen in der berühmten Blauen Erde von Palmnicken - genauso aufregend, aber viel ergreifender! Lange standen wir andächtig da. Den weiteren Rundgang erlebten wir wie in Trance und am Ende des Rundganges - noch einmal zurück, noch einmal das Bernsteinzimmer sehen!
3 Streifen fehlten noch, einige Simse waren noch nicht mit Bernstein belegt und die Kabel für die Beleuchtung hingen größtenteils noch aus der Wand, d.h. die Beleuchtung war ungünstig und das Fotografieren mit Blitz ging wegen der vielen eingebauten Spiegel denkbar schlecht. Aber bis zur offiziellen Eröffnung zur 300-Jahr-Feier im Mai ist noch etwas Zeit. Wie muss es dann strahlen, voll beleuchtet und vielleicht gerade Sonnenschein, der von der großen Fensterfront hereinscheint!!
März 2003



Ein Jahr später: der ARBEITSKREIS BERNSTEIN WAR IM FERTIGEN BERNSTEINZIMMER - ein erhebendes Gefühl !!!


Vor dem Besuch des Bernsteinzimmers war es uns vergönnt, auch die Bernsteinwerkstätten im Katharinenpalast zu besichtigen, in denen die Paneelen und Schnitzereien gearbeitet wurden. Der Werkstattleiter erklärte uns die hohe Schule der Bernsteinbearbeitung.