Über die Häufigkeit von tierischen Einschlüssen im Bernstein

Siehe dazu auch die Neuerscheinung eines sensationellen Buches:
Wasserinsekten im Baltischen Bernstein und ALLES ÜBER BERNSTEIN
- ausführliche Beschreibungen unter Extra-Info (Literatur)!

Um die tatsächliche Häufigkeit der verschiedenen Tierordnungen und -familien beurteilen zu können, darf man nicht von bestehenden Bernsteinsammlungen ausgehen. Jede Sammlung hat ihren Schwerpunkt und dadurch eine verfälschte Häufigkeitsverteilung. Man muss selbst Rohbernsteine am Fundort sammeln, schleifen und auswerten (ausführlicher: siehe weiter unten).

Ich habe viele, viele Kilo Bernsteine in den letzten Jahrzehnten gesammelt und beschliffen, vor allem in der nun leider gefluteten Grube in Bitterfeld/Sachsen.
Man erkennt nach einiger Zeit eine recht gute, gesicherte Häufigkeitsverteilung, die natürlich nur für den Baltischen/Bitterfelder Bernstein Gültigkeit hat.

Zu den absoluten Raritäten, nur wenige Exemplare sind im Baltischen Bernstein bekannt, gehören:
- Wirbeltiere (z.B. Eidechsen)
- Echte Skorpione
- Flöhe

Ich spare auf solche Raritäten und konnte mir einen Floh in einem winzigen 12mm-Bernstein leisten, siehe Foto. Es war eine bisher noch nicht bekannte Art und wurde vom Pariser "Flohpabst" BEAUCOURNU als Palaeopsylla groehni beschrieben und veröffentlicht - der vierte bisher bekannte Floh im Baltischen Bernstein. Ein weiterer wurde 2003 im Bitterfelder Bernstein entdeckt.


Es kommt beim Wert einer Inkluse also nicht auf die Größe des Bernsteins an, sondern auf den Inhalt!!
Das bedenken viele Sammleranfänger nicht und sind manchmal enttäuscht, wenn ihr schöner Einschluss sich in einem nur 10mm großen Bernstein befindet.
Es ist wie beim Menschen:
Auf den Inhalt kommt es an!

Außerdem muss man bedenken, dass Einschluss nicht gleich Einschluss ist. Es gibt schlecht erhaltene, beschädigte, schlecht einsehbare Einschlüsse und es gibt die absolut perfekt erhaltenen 1A+ Einschlüsse. Letztere sind selten, auch wenn es "nur" eine Langbeinfliege ist.

Doch nun zur Häufigkeitsverteilung der tierischen Einschlüsse.

Vorbemerkung:
Verständlicherweise sind die Insekten am häufigsten, gefolgt von den Spinnentieren. Die anderen Großgruppen wie Tausendfüßer, Krebse, Wirbeltiere folgen erst mit großem Abstand, sind also auf jeden Fall SELTEN!
Und bei den Spinnentieren führt die Liste natürlich die Gruppe der Milben an (fast 75%), die vor allem als winzige Jungmilben sehr häufig vorkommen, gefolgt von den Spinnen (ca.25%). Weberknechte und Pseudoskorpione als dritte und vierte Gruppe der Spinnentiere machen weniger als 1% aus!!

Bei den Insektenordnungen ist die Reihenfolge nach HOFFEINS 2003 (prozentual gerundet) im Baltischen Bernstein:
Diptera (Zweiflügler = Fliegen und Mücken) 64%
Collembola (Springschwänze) 12%
Hymenoptera (Wespen, Ameisen) 10%
Hemiptera (Zikaden u.ä.) 5,5%
Coleoptera (Käfer) 5,4%
Alle anderen Ordnungen (Felsenspringer, Silberfischchen, Eintagsfliegen, Ohrwürmer, Stabschrecken, Steinfliegen, Schaben, Heuschrecken, Staubläuse, Thripse, Netzflügler, Schmetterlinge, ja sogar Köcherfliegen) kommen jeweils mit weniger als 1% vor !!!

Die weitere Aufschlüsselung der Diptera=Zweiflügler:

1. Mücken:

Chironomidae (Zuckmücken) 37,5%
Sciaridae (Trauermücken) 19,8%
Mycetophilidae (Pilzmücken) 8,6%
Ceratopogonidae (Gnitzen) 6,1%
Cecidomyiidae (Gallmücken) 2,9%
Psychodidae (Schmetterlingsmücken) 2,5%
Tipuloidea (Schnaken, Stelzmücken) 2,1%
Alle anderen Mückenfamilien sind nur mit unter 0,1% vertreten !!

2. Fliegen:
Dolichopodidae (Langbeinfliegen) 13,3%
Phoridae (Rennfliegen) 3,2%
Empididae (Tanzfliegen) 3,0%
Rhagionidae (Schnepfenfliegen) 0,3%
Acalyptratae 0,2%
Alle anderen Fliegenfamilien sind nur mit unter 0,1% vertreten !!

Die Käfer sind in der HOFFEINS-Veröffentlichung nicht aufgeschlüsselt.
Meine Statistik, die auf der Auswertung vieler tausender Käfereinschlüsse beruht, möchte ich hier ergänzen.
Sie beruht sowohl auf den sehr vielen Eigenfunden als auch der Auswertung unsortierten Materials bei Händlern, auf Messen usw.
Da das wissenschaftlichen Ansprüchen in dieser Form nicht genügt, belasse ich es bei der reinen Häufigkeitsverteilung ohne Prozentangaben!

Betrachtet man die drei ganz großen Käfersammlungen aus Berlin, Kopenhagen und die KLEBS-Sammlung, dann fällt auf, dass die Häufigkeitsverteilung nicht übereinstimmt. Daran kann man deutlich sehen, dass mit unterschiedlichen Präferenzen gesammelt wurde. Das soll hier in meiner Statistik korrigiert werden, so dass Sie eine hoffentlich echte Verteilung finden.

Beispiel:
Reihenfolge der Häufigkeit Coll.Berlin:
Sumpfkäfer, Schnellkäfer, Pochkäfer, Kurzflügler, ...

Reihenfolge der Häufigkeit Coll.KLEBS:
Sumpfkäfer, Schnellkäfer, Pochkäfer, Laufkäfer (rangieren bei Coll.Berlin erst an 15. Stelle!!), ...

Reihenfolge der Coll.Kopenhagen:
Sumpfkäfer, Ameisenkäfer (rangieren bei Coll.Berlin erst an 12. Stelle!!), ...

Unzweifelhaft ist die Vormachtstellung der Sumpfkäfer (Scirtidae=Helodidae), die auch darauf hinweisen, dass es viel feuchte Biotope im Bernsteinwald gegeben haben muss.

Ich halte diese Reihenfolge für die richtige:

1. Scirtidae (Sumpfkäfer)
2. Aderidae (Baummulmkäfer)
3. Anobiidae (Pochkäfer)
4. Elateroidea (Schnellkäfer, einschließlich Schienenkäfer und Hüpfkäfer)
5. Scraptidae (Seidenkäfer)
6. Staphylinidae (Kurzflügler, einschließlich Pselaphidae)
7. Mycetophagidae (Baumschwammkäfer)
8. Mordellidae (Stachelkäfer)
9. Scolytidae (Borkenkäfer)
10.Serropalpidae (=Melandryidae, Düsterkäfer)

Dass in einigen Sammlungen Laufkäfer (Carabidae), Rüsselkäfer (Curculionidae), Weichkäfer (Cantharidae) so häufig vorkommen, liegt allein daran, dass es so attraktive und/oder große Käfer sind und deshalb vornehmlich gesammelt wurden.

Kleines Rechenbeispiel, das veranschaulicht, wie selten einige Einschlüsse wirklich sind. Denn: wenn man annimmt, dass die Weichkäfer nur mit einer Häufigkeit von 2% der Käfer vorkommen, dann täuscht diese Zahl.
Denn Käfer machen in der Gesamtstatistik nur 5,4% aus. Und von diesen 5,4% muss man wiederum die 2% berechnen:
also kommt man auf eine absolute Häufigkeit von 0,054 x 0,02 = 0,00108% !!
Ich erinnere an den Wert: nur jeder tausendste Bernstein enthält einen gut erhaltenen Einschluss. Also müssen wir die berechneten, abgerundeten 0,001 noch mal mit 0,001 multiplizieren und wissen jetzt:
Um einen gut erhaltenen Weichkäfer zu finden, müssen 1 Million Rohbernsteine durchgesucht werden!! Zum Glück werden in Litauen und Russland Riesenmengen Rohbernsteine mit Hilfe von Trommeln vorbeschliffen, so dass die Suche erleichtert wird. Nach westlichen Maßstäben wäre das eine nicht bezahlbare Arbeit und die Einschlüsse würden das hundertfache kosten!!