Musik im Bernsteinwald

Wie der Bernsteinwald ausgesehen hat, das können wir uns recht gut vorstellen, wenn wir uns die fossilen Pflanzen und Tiere im Ökosystem vorstellen. Nicht nur die Lebewesen des Bernsteins, sondern auch der Grube Messel bei Darmstadt und aus dem Geiseltal bei Halle, Lebewesen, die zur selben Zeit lebten wie die Lebewesen des Bernsteinwaldes.

Aber was hätten wir gehört, wenn wir im Bernsteinwald gestanden hätten?
Die Schreie des Urpferdchens und seiner Räuber, Vogelgezwitscher und viele Insektenstimmen seien nur als Beispiele genannt.
Und was überliefert uns der Bernstein?
Da sind zum einen die seltenen Funde von geflügelten Heuschrecken: sie reiben den Schrillkamm des rechten Flügels über die Schrillkante des linken Flügels (heute tatsächlich bei den bei uns lebenden Heuschrecken nur so herum) und erzeugen artspezifisch verschiedene Lieder in ihrem ererbten Rhythmus. Ich bin auf der Suche, solche Schrillsysteme bei Bernsteinheuschrecken zu finden.
Der Gesang der Zikaden (auch bei Kleinzikaden ist der Gesang mittlerweile nachgewiesen) funktioniert ganz anders und die körperlichen Voraussetzungen sind wahrscheinlich im Bernstein nicht zu erkennen. Denn die Lautorgane (Trommelorgane, Tympanalorgane) funktionieren so:
Eine durch Rippen versteifte (häufig durch einen Deckel geschützte) Kutikulaplatte links und rechts oben-seitlich am ersten Hinterleibsring wird durch einen starken Singmuskel angezogen. Durch das knackende Eindellen und das folgende Zurückspringen der Platte durch die Eigenelastizität wird die Platte in Schwingung versetzt. Die Zahl der Kontraktionen schwankt je nach Art zwischen 50 bis 480 mal pro sec. Große Tracheenblasen dienen häufig der Schallverstärkung. Aber wie gesagt: kann man das bei Bernsteinzikaden finden und wie sieht es dann genau aus?
Eine ganz andere Musik, vielleicht im für uns nicht hörbaren Frequenzbereich, mögen die Gnitzen gehabt haben: bei manchen Gnitzen findet sich auf dem Vorderrand der Flügel ein "Schrillfeld". Da es nur ein Flügelpaar gibt und kein Oberflügel auf dem Unterflügel reiben kann, muss dann wohl der Ton durch Senkrechtstellung der Flügel und entsprechendes Reiben erzeugt worden sein. Oder hat das "Schrillfeld" gar nichts mit der Lauterzeugung zu tun?


Ausschnitt aus dem Vorderflügel einer Gnitze (Ceratopogonidae)

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Reisen Sie in die Tropen oder Subtropen und setzen sich morgens vor Sonnenaufgang in den Wald und lauschen der Natur, vielleicht hat es im Bernsteinwald ähnlich geklungen... Ein entspannendes Stündchen auch bei uns im Wald, mit geschlossenen Augen, auch das ist ein tolles Erlebnis!