Wasserinsekten im Baltischen Bernstein


Vorweg: eine sensationelle Buchneuerscheinung! Aquatic Insects in Baltic Amber - Wasserinsekten im Baltischen Bernstein
Wilfried Wichard, Carsten Gröhn & Fabian Seredszus

336 Seiten, zweisprachig (englisch/deutsch), am 9.11.2009 veröffentlicht im Verlag Kessel, ISBN 978-3-941300-10-1, hochwertige farbige Bernsteinfotos auf mindestens jeder zweiten Seite, mit vielen erläuternden Strichzeichnungen, hochwertiges Leinen mit Schutzumschlag. Da die Autoren auf jeglichen Verdienst verzichten und großzügige Sponsoren gefunden wurden, konnte das Buch in kleiner Auflage für nur 38 Euro angeboten werden.
Nun, nach über 5 Jahren, werden die Restexemplare von den Autoren sogar für nur 10 Euro (+ Porto) "verramscht", da muss man zugreifen!!


Etwa 25% aller Tiere, die als Inklusen im Baltischen Bernstein eingeschlossen sind, gehören den Wasserinsekten an. Sie leben meist amphibisch und bewohnen mindestens als Larven die aquatischen Ökosysteme. Wie in einem großen "paläontologischen Puzzle" werden die einzelnen Inklusen des Bernsteins zusammengestellt, bis sich allmählich das ganze Mosaik der Natur vor 50 Millionen Jahren klar und schön zu erkennen gibt.
Alle Ordnungen mit aquatischen Insekten sind beteiligt: Libellen (Odonata), Eintagsfliegen (Ephemeroptera), Steinfliegen (Plecoptera), aquatische Wanzen (Heteroptera), aquatische Netzflügler (Neuroptera), Schlammfliegen (Megaloptera), aquatische Käfer (Coleoptera), Köcherfliegen (Trichoptera) und aquatische Zweiflügler (Diptera), einschließlich der Amphipoda und Isopoda unter den Krebsen (Crustacea).
In unserem Buch über "Wasserinsekten im Baltischen Bernstein" werden sie insgesamt vorgestellt. Dabei werden auch einige fossile Dipteren- und Neuropteren-Arten neu beschrieben.
Die hohe Beteiligung, mit der die Wasserinsekten im Bernstein vorkommen, hat mit der Entstehungsgeschichte des Bernsteins zu tun. Deshalb wird über die Entstehung des Baltischen Bernsteins und über die Paläoökologie der Eozänen Bernsteinwälder in einem weiteren Kapitel dieses Buches diskutiert. Mit Hilfe des Aktualitätsprinzips, nach der "die Gegenwart der Schlüssel zur Vergangenheit" ist, geben die Grabgemeinschaften (Taphozönosen) des Bernsteins bildhafte Vorstellungen von den Biozönosen in den Gewässern im frühen Tertiär vor ca. 50 Millionen Jahren. Im Anhang des Buches wird die aktuelle Liste aller beschriebenen Arten der aquatischen Insecta und Crustacea des Baltischen Bernsteins aufgeführt, ebenso wie ein ausführliches Literaturverzeichnis.


Publication 9. November 2009, Publisher Kessel ISBN 978-3-941300-10-1. Customers in North America should order this title from ISBS. 366 pages. Illustrated throughout colour and with numerous line drawings. Text bilingual English German. Hardback.

Approximately 25% of all animal specimen enclosed in Baltic amber belong to the group of aquatic insects. Most of these insects are amphibious and inhabitat aquatic ecosystems at least in their larval stages. Like a great palaeontological puzzle, individual inclusions of amber are assembled and create a clear and beautiful elaborate mosaic of nature fifty million years ago, based on the aquatic insects orders Odonata, Ephemeroptera, Plecoptera, auqatic Hemiptera (Heteroptera), aquatic Neuroptera, Megaloptera, aquatic Coleoptera, Trichoptera and aquatic Diptera, including Amphipoda and Isopoda amongst the crustaceans, altogether illustrated in "Aquatic Insects in Baltic Amber". A number of fossilised dipteran and neuropteran species of Baltic amber are described for the first time. Interestingly, the high abundance of aquatic insects in Baltic amber is directly related to the genesis of amber. Therefore, one chapter is dedicated to a discussion on the formation of amber and the palaeoecology of the Eocene "amber forest". In applying the "principle of Actuality", which states that "the present is the key to the past", the amber taphocoenosis allow recreations of aquatic systems of the early Tertiary period, fifty million years ago. In the appendix an updated systematic list of all described aquatic insects and crustaceans of Baltic amber is included as well as an extensive list of literature.

Und nun zur Diskussion:
Zu diesem Thema möchte ich hier diskutieren, wie Wasserinsekten in den Bernstein gelangt sein könnten.
Harz ist hydrophob, d.h. stößt Wasser ab. Es dürfte also nicht möglich sein, dass Harz ins Wasser tropft und dort einen Einschluss erzeugt. Die wahrscheinlichsten Möglichkeiten sind:
- eine Wasserstelle trocknet aus, die Wasserinsekten sterben, vertrocknen und werden entweder ins Harz geweht oder Harz tropft/läuft auf sie.
- der Wasserspiegel steigt nach Regenfällen, die Köcherfliegenlarve z.B. kriecht in Ufernähe. So schnell wie der Wasserspiegel nach starken Regenfällen steigt, so schnell kann er in einem Bach auch wieder fallen. Und schon ist die Köcherfliegenlarve im Trockenen. Zunächst wird sie sich in ihren Köcher zurückziehen, doch dann bei zunehmender Austrocknung wird sie ihren Köcher verlassen und ohne Köcher fortkriechen. Das können wir auch heute beobachten (Aktualitätsprinzip).
- der Wasserspiegel steigt über frischen Harzfluss, im Wasser lebende Insekten könnten sich im Harz verfangen. Nach Fallen des Wasserspiegels läuft eine weitere Harzschicht über das gefangene Wasserinsekt.
- Kürzlich beobachtet: eine Wasserhose, klein, aber stark, zog über das Wasser auf's Land, hinein in einen Wald. Da kann allerhand mitgerissen werden und sich im Harz verfangen!
- einige Tiere verlassen auch das Wasser, um im feuchten Umland nach Nahrung zu suchen. Auch sie können ins Harz geraten.
- vertrocknete Wassertiere, Häutungshüllen, Wassernähe liebende Fluginsekten können bei Wind abgedriftet/weggeblasen werden und ins Harz gelangen.
- FÜR WEITERE ANREGUNGEN ZU DEM THEMA WÄRE ICH DANKBAR!

Neuere Schätzungen haben ergeben, dass ca. 30% der eingeschlossenen Insekten im Bernstein dem Wasser zuzuordnen sind, entweder leben ihre Larven im Wasser oder sie leben im/am Wasser. Das beweist, dass es viel Wasser im Bernsteinwald gegeben haben muss und viel geregnet haben muss. Das Klima war tropisch bis subtropisch, auch heute regnet es in diesen Gegenden häufig.
Das sind die Voraussetzungen, dass Bernstein überhaupt erst entstehen kann! Nur wenn das Harz vor der Austrocknung, vor dem Brüchigwerden vom Wasser erfasst wird und in den Bach/See geschwemmt wird und sich dort ablagert, dann kann Bernstein nach langer, langer Zeit entstehen.

Und ganz aktuell aus einem SPIEGEL 2007 möchte ich Folgendes zitieren:

Baumharz auf Unterwasser-Jagd

Von Jens Lubbadeh

Nicht nur Insekten, auch Unterwassertiere haben Paläontologen in fossilem Bernstein entdeckt. Doch wie konnten sie vom trägen Baumharz gefangen werden? Forscher haben dafür in den Sümpfen Floridas Szenen aus der Kreidezeit nachgespielt - und die Lösung gefunden.

Alexander Schmidt vom Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin und David Dilcher vom Florida Museum of Natural History haben untersucht, wie langsames Baumharz unter Wasser Tiere einschließt. Dafür haben sie in den Sümpfen Floridas Baumharz von Kiefern auf Jagd nach Wassertiere gehen lassen.
Was dabei herauskam, war eindeutig und genug, um gängige Theorien zur Entstehung von Bernsteinfossilien zu widerlegen: Urzeitliche Wassertiere wurden nicht in wassergefüllten Baumlöchern vom Harz umschlossen. Sie wurden auch nicht etwa an Land gefangen, nicht in austrocknenden Teichen vom Harz überrascht oder gar erst nach ihrem Tod vom Wind ins Harz geweht.
Die Wasserbewohner wurden vielmehr von kleinen Harzklumpen und großen Harzkissen unter der Wasseroberfläche eingefangen, berichten Schmidt und Dilcher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences".

Harzjagd in Florida
"Aufgrund von Bernsteinfunden mit Wasserinsekten und deren Larven, die niemals das Wasser verlassen, kann man schließen, dass es in den in den urzeitlichen Bernsteinwäldern Bäche, Teiche und Tümpel gegeben haben muss", erzählt Schmidt SPIEGEL ONLINE. Demzufolge müssen zumindest einige der stark harzenden Bäume Kontakt zum Wasser gehabt haben. Dann spielten Schmidt und Dilcher ganz einfach die Szenen nach, die sich in den Wäldern der Kreidezeit zugetragen haben müssen. Dafür gingen sie in die Sümpfe Floridas. "Dort finden sich viele stark harzende Kiefernbäume, die im Wasser stehen", erzählt Schmidt. Perfekte Studienobjekte also. Schmidt und Dilcher sägten die Rinde einiger Bäume an und beobachteten, ob und wie das auslaufende Harz eine Todesfalle für Mikroorganismen und Insekten darstellte. Dabei stellte sich heraus, dass sich das Harz beim Kontakt mit dem Wasser in drei Fraktionen aufteilte. Ein dünner Harzfilm breitete sich auf der Wasseroberfläche aus. Allerdings trocknete er schnell aus und zerbrach. Er taugte nicht zur Bernsteinfalle.
Kleinere Harztropfen jedoch von bis zu vier Zentimeter Länge blieben am Fuße des Stammes hängen - knapp unterhalb der Wasseroberfläche. Sie wurden sehr schnell zu Fallen für die Wasserinsekten und waren auch schon nach einer Woche ausgehärtet.

Harzkissen auf dem Sumpfboden fing auch Krebse
Der größte Teil des Harzes aber floss den gesamten Stamm herunter und sammelte sich auf dem Sumpfboden zu einem großen Kissen.
Dieses Harz härtete nicht aus, solange es von Wasser bedeckt war, aber es wurde dennoch zu einer effektiven Falle, besonders für größere und sehr kleine Lebewesen. An seiner Oberfläche nämlich entwickelte sich mit der Zeit eine etwas festere Haut, die nur von größeren Lebewesen durchbrochen werden konnte. Sie waren dann im noch flüssigen Inneren des Harzkissens gefangen. Es konnte aber auch passieren, dass das Harzkissen, wenn es über eine raue Oberfläche floss, ganze Wassertropfen umschlang, die Kleinstorganismen enthielten. Insgesamt beobachteten die Forscher schon nach zwei Tagen, dass in beiden Harzfraktionen Lebewesen - vom Einzeller bis zum größeren Krebs - gefangen waren.
Doch damit ein Wasserbewohner tatsächlich in einem Bernstein landet, reicht es nicht, dass Harz unter Wasser gelangt und sich Tiere darin verfangen. Wie Schmidt und Dilcher schreiben, muss sich auch die Wassertiefe ändern, damit das Harz freigelegt wird und aushärten kann. Zur Langzeitkonservierung muss das Harz zudem später von Sedimenten bedeckt oder wieder aus der Küstenregion ins Meer verschoben werden.
Die Mikroorganismen und Wasserkäfer, die Schmidt während seiner Studie gefangen hat, werden ganz sicher in Ruhe zu Bernsteinfossilien werden - aber nicht versteckt in der Erde oder am Grunde eines Ozeans, sondern in der Präparatesammlung des Museums für Naturkunde in Berlin.

Bild aus Spiegel-Artikel: